es darf vorausgesetzt werden, dass das wort "der herd des weltkriegs", seit es diesen gegenstand gibt, zwar oft benutzt worden ist, stets jedoch mit einer gewissen ungenauigkeit in der frage, wo dieser gegenstand seinen platz habe. ältere leute, die noch persönliche erinnerungen an jene zeit besitzen, denken da wohl an sarajewo, doch fühlen sie selbst, dass diese kleine bosnische stadt bloss das ofenloch gewesen sein kann, durch das der wind einfuhr. gebildete leute werden ihre gedanken auf die politischen knotenpunkte und welthauptstädte richten. noch höher gebildete dürften mit sicherheit ausserdem die namen von essen, creuzot, pilsen und der übrigen zentren der waffenindustrie im gedächtnis haben. und ganz gebildete werden dem etwas aus der petroleum-, kali- und sonstigen gütergeographie hinzufügen, denn so hat man es oft gelesen.
aus all dem folgt aber bloss, dass der herd des weltkriegs kein gewöhnlicher herd gewesen ist, denn er stand an mehreren orten gleichzeitig. vielleicht sagt man darauf, dass dieses wort bloss bildlich zu verstehen sei. aber dem ist in so voller weise zuzustimmen, dass sich alsbald noch viel grössere verlegenheiten daraus ergeben. denn gesetzt nun, es wolle herd in seiner bildlichkeit ungefähr das gleiche bedeuten, wie ursprung oder ursache ohne solche, so weiss man zwar, dass der ursprung aller dinge und geschehnisse gott ist, aber andererseits hat man nichts davon. denn mit den ursprüngen und ursachen ist es so bestellt, wie wenn einer seine eltern suchen geht: zunächst hat er zwei, und das ist unbezweifelbar; bei den grosseltern aber sind es schon zwei zum quadrat, bei den urgrosseltern zwei zur dritten und so fort in einer sich mächtig öffnenden reihe, die sich nirgends bezweifeln lässt, aber das merkwürdige ergebnis hat, dass es am ursprung der zeiten schon eine fast unendliche unzahl von menschen bloss zu dem zweck gegeben haben müsste, einen einzigen der heutigen hervorzubringen. wenn das auch schmeichelhaft ist und der bedeutung entspricht, die der einzelne in sich fühlt, so rechnet man heute doch zu genau, als dass man es glauben könnte.
schweren herzens muss man also auf seine persönliche ahnenreihe verzichten und annehmen, dass man "ab irgendwo" gruppenweise gemeinsam abstamme. und das hat verschiedene folgen. so die, dass die menschen sich teils für "brüder" halten, teils für "fremdstämmlinge", ohne dass einer diese grenze zu bestimmen wüsste, denn das, was man nation und rasse nennt, sind ergebnisse und keine ursachen. eine andere folge, nicht minder einflussreich, wenn sie auch nicht so offen zu tage liegt, ist die, dass der herr beliebig nicht mehr weiss, wo er seine ursache hat; er fühlt sich infolgedessen wie ein abgeschnittener faden, den die fleissige nadel des lebens haltlos aus- und einzieht, weil man vergessen hat, ihm einen knopf zu machen. eine dritte, jetzt erst aufdämmernde, zum beispiel die, dass man noch nicht nachgerechnet hat, ob und inwieweit es den herrn ebenso-beliebig doppelt und mehrfach gibt; im bereich des erblich möglichen liegt das durchaus, bloss weiss man nicht, wie gross die wahrscheinlichkeit ist, dass es einem wirklich widerfahren könnte, sich selbst zu begegnen, aber ein dumpfer druck davon, dass es bei der heutigen natur des menschen nicht ganz ausgeschlossen sein kann, liegt sozusagen in der luft. und sicher wäre es nicht einmal das schlimmste.
graf leinsdorf, der einen augenblick mit ulrich sprach, erging sich über die adelige einrichtung der kammerherrn. "sechzehn adelige ahnen muss ein kämmerer haben, und darüber halten sich die leute auf, dass das eine arroganz sein soll: aber ich bitt sie, was tun denn die leute selber? nachmachen tun's uns mit ihren rassetheorien" erläuterte er "und übertreiben das gleich in einer ganz und gar unvornehmen weise. meinethalben können wir alle vom gleichen adam abstammen, ein leinsdorf bleibt trotzdem ein leinsdorf, denn das ist lang nicht so sehr eine sache des bluts wie eine der bildung!" seine erlaucht war gereitzt durch das eindringen völkischer elemente in die parallelaktion, das man aus verschiedenen rücksichten bis zu einem gewissen grad dulden musste. der nationalismus war damals bereits nahe daran seine erste blutige blüte zu treiben, aber kein mensch wusste es, denn er sah trotz der nahen erfüllung noch nicht fürchterlich, sondern erst lächerlich aus; sein geistiges anlitz bestand in der hauptsache aus büchern, die mit der fleissigen belesenheit eines gelehrten und der vollen wahllosigkeit des ungeschulten denkens von verfassern zusammengestellt wurden, die irgendwo am land als volksschullehrer oder kleine zollbeamte lebten.
diese auffassung, die man heute fast schon eine natürliche nennen darf, sieht fatalistisch aus, ist es aber nur solange man sie als ein fatum hinnimmt. ein fatum waren aber auch die naturgesetze, ehe man sie erforschte; nachdem dies geschehen war, ist es sogar gelungen, ihnen eine technik überzustülpen. heute fühlt jeder mensch etwas davon, dass diese gesetzmässigkeiten ein haufen von widersprüchen sind und das ihnen zu folgen soviel hiesse, wie jedem einzelnen seiner triebe fröhnen zu können, wobei eben jeder mensch eine wilde und unheimliche freiheit in sich verspürt. sie lässt ihm nur einen vorwärtsführenden weg: das dieses chaos auf eine ähnliche weise, wie das der atombahnen, schliesslich doch einen wert ergebe, und das man mit der genaueren kenntnis des zusammenhangs auch wieder einen sinn haben werde.
das ist ungefähr der sinn des übergangs vom individualismus zum kollektivistischen weltbild, wobei selbstverständlich keine rede davon ist, dass der wert der persönlichkeit aufhöre, sie wird nur eine genauere bewertung erhalten.
14.02.08
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