Wir stehen erst am Anfang - Ausblick / Dieses Buch ist ein Plädoyer, in der Auseinandersetzung mit postbürokratischen und posttayloristischen Organisationsformen bescheidener zu sein. Statt der bei vielen Managern beliebten Ausrufezeichen hinter den Rezepten für die Gestaltung neuer Organisationsformen wären nicht selten Fragezeichen angebracht. Unsicherheit und Verunsicherung - in den flexibilitätsorientierten Unternehmen ein allgegenwärtiges Phänomen - sind auch für den Macher, Betrachter und Berater postbürokratischer Organisationen angesagt. Labilität von Strukturen, lose Kopplungen von organisationsinternen Beziehungen und die Orientierung an Flexibilität statt an Stabilität haben zur Folge, daß sowohl generelle Aussagen als auch allgemeine Ratschläge in bezug auf Wirtschaftsorganisationen schwieriger werden.
Einiges läßt sich - aller Bescheidenheit zum Trotz - jedoch konstatieren: Der tayloristische Siegeszug ist vorbei. In allen untersuchten Unternehmen herrscht Einigkeit, daß die wachsende Komplexität in Wirtschaft und Gesellschaft "nicht durch noch mehr Richtlinien, noch mehr Regeln, noch mehr Kontrolle und noch mehr Bürokratie" in den Griff zu bekommen ist. Es kommt indessen nicht, wie uns bestimmte Postbürokraten glauben machen wollen, zu einer neuen Dominanz von Flexibilität, Innovation und Wandel. Die Gefahr, an einem "Zuviel an Möglichkeiten" zugrunde zu gehen und die Machtkämpfe nicht mehr kontrollieren zu könnnen, zwingt Unternehmen, Auswege aus dem Dilemma gleichzeitiger Flexibilitäts- und Stabilitätsanforderungen anzustreben.
Unternehmenskulturen, Kontextsteuerung, relativ offene Technisierung von Abläufen und Externalisierung von Unsicherheiten sind Indizien, daß wir es auf verschiedenen Ebenen mit einem neuen Mischverhältnis von Wandel und Stabilität zu tun haben. Statt eines völlig neuen, einzig auf Wandel und Selbststeuerung setzenden Organisationstyps handelt es sich bei postbürokratischen Organisationen um einen neuartigen Zusammenbau von herkömmlichen stabilitätsorientierten Organisationsprinzipien mit Elementen einer eleganteren dezentralen, flexiblen Steuerung und Steuerung und der Zuweisung von begrenzter Autonomie an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Dabei geht es um mehr als nur ein erneutes Austarieren zwischen Stabilität und Flexibilität. Es tritt ein qualitativer Sprung in der Verknüpfung dieser beiden Mechanismen auf. Nur so läßt sich erklären, daß im gleichen Moment Unternehmen in kleinere Einheiten zerfallen und sich durch Vernetzungen zu machtvollen Konglomeraten entwickeln; daß Technisierung gleichzeitig Komplexität vereinfacht und Komplexität steigert; daß diesselben Organisationen sich weiter ausdifferenzieren und durch Enthierarchisierung und Dezentralisierung entdifferenzieren; daß postbürokratische Unternehmen sowohl die Mitarbeiter ermächtigen als auch das Management in seinen zentralen Funktionen belassen; daß Unternehmen in der Lage sind, externes Chaos produktiv umzusetzen, ohne selbst an den Flexibilitätsanforderungen zugrunde zu gehen.
/ Von Stefan Kühl.
08.05.08
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